Frisch gepresst_ Roman (German Edition) - By Frohlich, Susanne Page 0,2

eine meiner Slipeinlagen mit den Flügelchen. Angespanntes Gelächter und die Nachbarin macht ein Gesicht, als hätte sie gerade eine Biene verschluckt und einer von uns müßte den lebensrettenden Luftröhrenschnitt gleich vor Ort ausführen.

Kinder, die Desdemona heißen und Slipeinlagen schwenken, was soll bloß aus denen werden? Obwohl sie sowieso nur Mona genannt wird. Hat sich so ergeben, nachdem die hessische Zugehfrau meiner Schwester – eigentlich ist es eine Putzfrau, aber das findet Brigitta, meine Schwester, »irgendwie entwürdigend« – beim Anblick der neugeborenen Desdemona entzückt gerufen hat: »Also, des is die Mona.«

An sich ein nettes Kind. Wenigstens ein Mädchen. Besonders nett ist, daß man sie, wenn sie nicht mehr so nett ist, heimschicken kann. Oder mit musikalischer Früherziehung drohen – die Desdemona haßt. Aber Brigitta, die eigentlich Birgit heißt – »Von der Ausstrahlung her paßt Brigitta besser, ganz andere Aura und so« –, meint: »Ohne verkümmert das Kind.« Ist später chancenlos. Fehlende musikalische Früherziehung kann alles versauen. Drogenabhängigkeit, Schulversagen – tja, mit musikalischer Früherziehung wäre Ihnen das nicht passiert.

Hätte ich selbst bloß welche genossen.

Vielleicht würde ich dann auch geschickter entbinden. Die ersten Versagergefühle keimen in mir auf. Ich mag nicht mehr. Ich will eine Betäubung, Vollnarkose, Ecstasy, Dope jeder Art. Ich stehe in meinem weißen Kittelchen ohne Unterhose auf einem erbsgrün gestrichenen Kreißsaalflur und bettele einen Nicht-Deo-Benutzer an. »Bitte, Dr. Wiedmann, ich halte es nicht mehr aus. Das ›In 10 Minuten haben wir’s‹ ist 4 Stunden her. Geben Sie mir was. Machen Sie einen Kaiserschnitt, befreien Sie mich.« Mein Gott! Ich, eine junge, moderne Frau, Typ Gebildete-junge-Yogurette-Esserin, werde zur devoten Schleimerin. Ekelhaft, dieses Aufgeben jeglicher Prinzipien. Und noch dazu erfolglos. »Wir haben’s doch bald, Frau Schnidt. Jetzt mal zusammenreißen und nicht so hängenlassen«, tadelt mich der Gynäkologe. Ich probiere die etwas autoritäre Variante. Gibt ja Männer, die da besser spuren. »Hören Sie mal gut zu: Heutzutage können sie Herzen verpflanzen, da werden Sie ja wohl dieses Etwas aus meinem Bauch kriegen.«

»Angie«, zitiert er die Hebamme herbei und macht ihr mit Gesten dabei klar, daß ich eine hoffnungslose Hysterikerin bin, »gib der Frau Schnidt mal ein Paracetamol-Zäpfchen.«

Dankbar soll ich dafür auch noch sein. Eine ergebene Versagerin, der ungerechtfertigterweise Gnade gewährt wurde, und das für ein Zäpfchen, das schon Säuglinge ohne Gefahr nehmen können. »Ich will was Richtiges, was dröhnt, und das, bevor die nächste Wehe da ist.« Christoph zischt: »Na, na, mein Walfischchen, jetzt krieg dich mal ein.« Ich bin erleichtert, weil ich endlich einen Grund habe, einen der anwesenden Besserwisser so richtig zusammenzuscheißen. »Von wegen: Walfischchen. Verpiß dich mit deinem Schwämmchen.« Zur Belohnung bietet Angie meinem Lebensgefährten ein Täßchen Cappuccino abseits der Gefahrenzone an. Meint die mich? Bin ich von Wahnsinnigen umgeben?

Bevor ich diese Frage eindeutig klären kann, erscheint ein weiterer Weißkittel. »Rücken frei machen«, erteilt er klare Anweisungen. »Ich setze Ihnen jetzt eine PDA, und dann ist Ruh«, verspricht mir der angebliche Anästhesist.

»Wenn’s wirkt, sind Sie ein Freund fürs Leben«, versuche ich ihn auf meine Seite zu ziehen. »Ist das ’ne Drohung oder ein Versprechen?« Ha, kleiner Witzbold. Vom Typ her eher Modell Barmann in Szene-Kneipe. Koteletten, coole Ausstrahlung. Sieht an sich nicht schlecht aus, der Herr Doktor. »Herr Doktor, das können Sie sehen, wie Sie wollen«, versuche ich einen kleinen Flirt. »Ich bin kein Doktor«, erklärt er mir knapp. Na prima. Ein Nicht-Doktor bohrt mir gerade eine riesige Spritze ins Rückenmark. Angeblich eh irre gefährlich. Das ist wahrscheinlich die Strafe dafür, daß ich in diesem Zustand noch meine Unwiderstehlichkeit testen wollte, der selbst bei vollem Make-up-Einsatz natürliche Grenzen gesetzt sind. Als mir eine leicht fettige Haarsträhne beim Rückenkrummachen ins Gesicht fällt, wird mir bewußt, daß meine Chancen zur Zeit, realistisch betrachtet, gen null streben. Mein Krankenhauskittelchen, hinten modisch geschlitzt, bedeckt gerade mal meinen Riesenbauch, und der Nicht-Doktor hat freien Blick auf meinen leider leicht verpickelten Po. Ich muß dringend mal wieder ein Körperpeeling machen. »So, jetzt müßte es Ihnen gleich bessergehen«, strahlt mich der Beau an.

Er hat zwar keinen Doktor, aber der Mann sagt die Wahrheit. Die Schmerzen lassen nach. Sie sind nicht verschwunden, aber irgendwie eingedämmt. Phantastisch; was für eine Erfindung! Ein Wunder. Komm her, du PDA-Entwickler, und laß dich küssen. Warum habe ich mich bloß so lange gequält? Weil ich eine perfekte Gebärerin sein wollte.

Na, dann bin ich eben keine.

»So, und jetzt der Endspurt, Frau Schnidt«, grummelt der Muffkopp. Die Kreißsaallampen blitzen auf, Christoph, mit einem Rest Cappuccinoschaum im Mundwinkel, hastet herbei. »Walfischchen, alles wird gut.« Wie mich das beruhigt, unglaublich. Doch seit der PDA glaube ich sowieso, daß ich eine Chance habe, diesen Vorgang hier zu