Frisch gepresst_ Roman (German Edition) - By Frohlich, Susanne Page 0,1

»Korz vor Feierabend so e Schweinerei. Du, Frau Hoffmann, haste ma en Labbe. Des mache Sie aber selbä weg – ich bin net die Putze hier. Auch in Ihrm Zustand kann mer sich net alles erlaube.« Grauenvoll.

Natürlich sind die meisten Fruchtblasen anständig und springen nachts. 80 Prozent oder so. Aber wer garantiert, daß die eigene Fruchtblase nicht zu den restlichen 20 Prozent ge hört? Niemand.

»Da ist doch nix dabei, ist doch absolut natürlich, so ist der Körper nun mal«, hat mich meine Freundin Sabine getröstet, als ich ihr bei einem Gläschen Früchtetee meine Visionen von schwangerschaftlicher Inkontinenz und öffentlichem Blasensprung gebeichtet habe. Aber die gleiche Sabine stellt sich selbst bei den natürlichsten Sachen der Welt ganz schön an. Wenn die ihre Tage hat und wir schwimmen gehen, fragt sie mich etwa 86mal: »Du, sieht man das Fädchen?« Und in weißen Hosen guckt sie sich selbst dermaßen häufig zwischen die Beine – aus Panik, es könnte ein Tröpfchen Blut erscheinen –, daß man meint, der Kopf hängt extra so schief. Jetzt mal ehrlich – was ist ein Klacks Blut gegen 3–4 Liter Fruchtwässerchen an der Massa-Kasse! Nichts, oder? Trotzdem schafft es kaum eine, in ein vollbesetztes Großraumbüro zu gehen und zu fragen: »Hat mal jemand einen Tampon? Super oder vielleicht Extra?«

Obwohl man es eh merkt. Frau kommt in einen Raum. Geht zu einer anderen. Sie tuscheln. Die angesprochene Frau wühlt in ihrer Handtasche. Ballt die Hand zur Faust und drückt der anderen was in die geöffnete Hand, die dann ebenfalls sofort zur Faust wird. Wetten: in 98 Prozent der Fälle ist es ein o.b. Und die restlichen 2 Prozent benutzen Tampax, mit der praktischen Einführhülse. Die geht leider nicht in eine geschlossene Hand. »Aber die Hülse ist doch so hygienisch«, meint Sabine, eine aus der Tampaxfraktion. Bloß: was tun mit der Einführhilfe, wenn man das, was man einführt, an Ort und Stelle hat? Einfach ins Klo, wegspülen und riskieren, daß es die nächsten 14 Male wieder hochgespült wird, möglichst dann, wenn der nette Kollege mal auf einen Kaffee mitkommt. Also: wohin damit: Mülleimer, Sondermüll. Fragen über Fragen.

Soviel zum Thema »Natürlich«. Ist doch komisch. Da reden die mittags im Fernsehen über Sadomaso: »Ja, Herr Müller, Sie kriegen’s gern mit der Neunschwänzigen« – »Ne, Herr Meiser, ich liebe es klassisch, Rohrstock oder Schuhlöffel«, Sex mit Tieren, Drogen und Gewalt. Alles ist möglich: Hauptsache – wir passen gut auf uns auf. Aber seit Jahren warte ich auf Fernsehpastor Fliege und: »Wie menstruiere ich richtig?« oder: »Was soll ich tun: Meine Freundin blutet mehr!« – oder: »Neidische Männer bekennen: Gebt uns unsere Periode.«

Kleiner Vorteil der Schwangerschaft: Kein monatliches Suchen nach alten Unterhosen, denn wer will sich schon an den bewußten Tagen den neuen Spitzenstring für 47,80 ruinieren? Die Werbung hat uns zwar schon häufig erklärt, wie sicher ihre diversen supersaugfähigen Blutungsutensilien sind. Pah, von wegen. Überhaupt, Bindenwerbung. Mit der blauen Testflüssigkeit. Das Letzte. Ständig die Erinnerung: aus euch läuft irgendwas raus, etwas, was wir mal blau darstellen, und dagegen muß man was tun. Nicht, daß ich meine, wir sollten es so ökomäßig einfach laufen lassen.

Aber diese Schamhaftigkeit in einer Welt, in der es laut Bild am Sonntag keine Scham mehr gibt, ist doch komisch. Wobei ich nicht behaupten will, ich würde völlig offen und selbstbewußt mit den Funktionen meines Unterleibs umgehen. So nach dem Motto: »Moin, Herr Kollege, und wie?« – »Fein und selbst?« – »Na ja, bis auf diesen hartnäckigen Ausfluß …«

Undenkbar, oder? Kann aber auch praktisch sein. Die Unterleibstabuzone. Beim Krankmelden. Montags. Anruf im Büro. »Ja, also, ich fühl mich ganz und gar nicht gut. Also, Arbeiten ist undenkbar.« – Der angenervte Chef – »Wo fehlt’s denn, Frau Schnidt?« – Jetzt ein leichtes Drucksen, Räuspern und dann ein genuscheltes »die Eierstöcke«. Ratz-fatz kommt das obligatorische »Gute Besserung«, und der Kerl wird sich hüten, noch mal nachzufragen. Wo schon ganz andere Situationen toppeinlich sind.

Also, meine vierjährige Nichte, Desdemona – das arme Ding, so zu heißen, aber meine Schwester wollte schon immer was Besonderes sein und mußte diesen Trieb an ihrer ersten Tochter ausleben –, also, die kleine Desdemona ist bei Christoph und mir zu Besuch und muß mal. Soll ja vorkommen. Nur Pipi. Das kann sie schon alleine. Wie praktisch, wo wir gerade mit unseren neuen Nachbarn, meiner Schwester und ihrem Gatten im Reihenhausgärtchen hocken und das ein oder andere Stückchen Pflaumenkuchen reinschieben. Plötzlich kommt die aufgeregte Desdemona mit noch offenem Reißverschluß aus dem Haus, schreit durch die gesamte Siedlung: »Mama, Mama, guck mal: Meine Tante benutzt ja noch Windeln« und schwenkt voller Glück