Frisch gepresst_ Roman (German Edition) - By Frohlich, Susanne Page 0,3

überleben. »Leichter wird’s jetzt nicht, wer die Wehen nicht mehr richtig spürt, dem fehlt auch das richtige Gefühl fürs Pressen«, mahnt der gestrenge Wiedmann. Dann presse ich es eben gefühllos heraus. Beim vierten Mal schreit Christoph: »Ich sehe die Haare, es kommt, es kommt.«

Es hat Haare; phantastisch, das gibt Auftrieb. Mit Haaren macht so ein Kind einfach mehr her. Haare, ein echtes Statussymbol bei Neugeborenen. »Hat es Locken?« frage ich voller Verzücken. Bevor man mir antwortet, geht ein Ruck durch mich. So etwa wie bei Alien 2, als Signourey Weaver sich wie verrückt windet, weil das Monster von ihr Besitz ergriffen hat.

Und dann Erleichterung.

Man knallt mir etwas Glitschiges, nicht direkt Ansehnliches auf den Bauch. Aber: ein Alien ist es nicht. »Frau Schnidt, Glückwunsch, Sie haben ein Mädchen.«

Immerhin, vom Besten. Lackschuhe, gemeinsame Frauenabende und Mascarasharing. Mädchen sein ist eine bekannte Größe, und ich gebe zu, ich hab mir eins gewünscht. Als ich einen Blick auf meine Tochter werfen will, einen gründlichen von Frau zu Frau, von Mutter zu Kind, ist sie auch schon wieder weg. Apgar-Werte müssen her, eine Art erste Inspektion. Dr. Wiedmann fuddelt an ihr, meinem Kind, herum. Das arme Ding. »Die restliche Welt riecht besser«, will ich schreien, »legen Sie es weg, sonst kriecht es vor Entsetzen noch zurück« und »Baby, nicht alle Männer sind so«, aber ich verkneife es mir. Schließlich bin ich sensibel. Jedenfalls manchmal.

»4150 Gramm, 54 Zentimeter, Kopfumfang 36«, mit diesen Worten übergibt Wiedmann die Kleine an Christoph. Der guckt, als wäre eben ein Ufo mitten im Kreißsaal gelandet, und stammelt: »Danke, danke, oh, wie süß.«

Wiedmann verteilt die Aufgaben. »Sie und Angie baden das Kind, während ich mal schnell wieder zunähe.«

Oh Gott, er meint mich. »Machen Sie ruhig dauerhaft zu«, scherze ich, er grinst nicht einmal. Stumm streiche ich das Deo. Der kriegt gar nichts. Basta.

»Wie soll sie denn heißen?« – eine Frage an uns junge Eltern.

»Claudia«, sage ich. »Aha«, meint Dr. Wiedmann, »Claudia, was Bodenständiges.«

»So, finden Sie.« Mir doch wurscht, was dieser Depp denkt. In Begeisterungsstürme wird bei diesem Namen keiner ausbrechen. Das ist mir klar. Was soll’s. Christoph, immer gerne nahe dran am Trend, wollte selbstverständlich so was wie Anna, Marie oder Lisa. Keine häßlichen Namen, mit Sicherheit, aber irgendwie langweilig. So wie Max, Sebastian und Alexander. Wer sich heute vor einen Kindergarten stellt und brüllt: »Max, komm sofort her«, hat ratz-fatz ein Dutzend Kinder an der Backe. Und wer möchte schon, daß das eigene Kind Dutzendware ist? Keiner, oder? Absolut unmöglich sind ja diese ›Hey, was bin ich aber kreativ‹-Eltern, die ihr Kind Samsara, Roxalla oder Turgor nennen. Weils auf indianisch »aufgehende Sonne« oder »strahlende Stute« heißt. Oberpeinlich. Allein die Vorstellung: »Das sind Uschi und Hartmut und ihre Tochter Samsara Julietschkah (mit h hinten).«

Was tut man so einem armen Wesen nur an. Mit diesem Namen ist ein biederes Leben fast unmöglich. Da muß man es mindestens zur Künstlerin mit zwei schneeweißen Angorakatzen bringen, sonst führen solche Namen garantiert direkt auf die Couch. Zur Analyse. Was das kostet, wissen alle, die schon mal eine gemacht haben.

Die Ausgabe kann man sich und dem Kind ja nun ersparen.

Ich habe neulich sogar eine ehemalige Schulkameradin getroffen, die ihren Sohn Andrea genannt hat. Andrea. Erst war ich geschmeichelt. Ich heiße nämlich selbst so. Bis mir einfiel, daß da geschlechtermäßig was nicht stimmt. »Hör mal, Gudrun«, versuchte ich es taktvoll, »Andrea ist ein Mädchenname.«

»Aber nicht in Italien«, konterte sie geübt. Da war ich richtiggehend baff. Hatte sich die Akne-Gudrun doch echt einen Italiener geangelt. Gewußt wie. Stille Wasser und so. »Und zieht ihr auch runter? Wohnt ihr am Meer?« Gudrun guckt doof, war schon immer eins ihrer Spezialgebiete. »Wieso Meer? Wieso runterziehen? Wir wohnen immer noch bei den Eltern, unterm Dach, der Jürgen und ich. Den Jürgen kennst du doch, der aus der Parallelklasse mit dem grünen Mokick.« Logisch erinnere ich mich an den Jürgen. Feuchter Küsser, aber super Mokick. Immerhin. »Und warum heißt euer Kind nicht Andreas – mit einem s?« »Weil’s langweilig ist, so heißt doch jeder. Wir wollten was Besonderes. Schließlich ist unser Kind auch was Besonderes.« »Wieso, hat’s zwei Pimmel?« will ich fragen, halte mich aber etwas zurück. Sein Leben lang wird dieser Bub blöd angeguckt. Erst von seiner Mutter, die ja gar nicht anders gucken kann, und dann von allen, denen er sich vorstellt. Wenn der sich mit 24 irgendwo namentlich präsentiert, denkt doch jeder gleich an Transsexualität oder Hormonprobleme. So Eltern und so ein Name. Das Leben kann scheißbrutal sein.

Christoph hat diese Geschichte nur mäßig überzeugt. »Nur weil du schlicht