Ein Mann fur alle Lagen - By Jennifer Crusie Page 0,3

du nicht bald gehen?“

Jessie schloss einen Moment die Augen und versuchte es ein letztes Mal. „Kate, bitte hör mir zu. Fahr zu ‚The Cabins’, such dir einen netten Kerl, der alle Forderungen deiner Liste erfüllt und werde glücklich mit ihm. Du kannst es schaffen.“

Der aufrichtig besorgte Tonfall gab Kate zu denken. „Das soll also alles sein“, machte sie sich lustig. „Ich muss mir nur den Richtigen aussuchen.“

Jessie nickte. „Ja.“

Kate blickte wieder in die Anzeige. Der Mann auf dem Bild war zwar sicher ein Fotomodell, aber er sah perfekt aus. Bis zum Ende des Sommers wollte sie ohnehin noch Urlaub machen, und sie hatte seit Jahren kein Golf mehr gespielt.

Und sie war so einsam, dass es manchmal wehtat. „In Ordnung“, sagte sie leise. „Ich werde dort hinfahren.“ „Prima!“ Jessie deutete auf das Telefon. „Dann ruf gleich an.“ „Das mache ich später“, erwiderte Kate. „Lass mich eine Weile darüber nachdenken.“

„Nein.“ Jessie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gehe nicht, bevor du nicht angerufen hast.“

„Ich habe doch gesagt, dass ich fahre. Vertraust du mir nicht?“

„Nein“, erwiderte Jessie nur. „Diesmal behalte ich dich im Auge, denn du schaffst es immer wieder, deinem Glück davonzulaufen. Ruf an. Jetzt!“

Dreihundert Kilometer von Kate entfernt saß Jack Templeton in einem großen Liegestuhl auf der hinteren Veranda des Anwesens seines Bruders in Kentucky. Er hatte die Füße auf das Geländer gelegt und beobachtete den Sonnenaufgang über dem See. Dabei gab er sich große Mühe, Zufriedenheit zu empfinden. Doch wie so oft in letzter Zeit plagte ihn dieses Gefühl, als fehle ihm irgendetwas.

In seiner Ehe, die lange zurücklag, hatte er das Verdrängen gelernt: Immerhin lebte er in einem schönen Land, ihm ging es gut, und er musste sich um nichts kümmern, als dass das Gras bewachsene Land gewässert und gepflegt wurde. Ansonsten plagten ihn keine echten Sorgen. Natürlich fand er es nicht ideal, dass sein Bruder aus diesem guten Farmland ein Feriengelände gemacht hatte, wo sich die reichen Geschäftsleute erholten und amüsierten, aber diese Leute brachten viel Geld mit, und davon konnte die Dorfbevölkerung leben. Jake hatte nicht viel mit den Urlaubern zu tun.

Im Großen und Ganzen ging es ihm gut. Er zog sich den hellen Cowboyhut über die Augen und genoss die Aussicht. „Ich habe es geschafft“, sagte er leise.

Mit zwei Bechern heißem Kaffee kam sein Bruder zu ihm heraus. Will trug bereits seinen Anzug, um die ersten Gäste zu begrüßen, die jeden Moment ankommen würden. Er betrachtete Jakes abgetragene Jeans und das verwaschene Baumwollhemd und schüttelte den Kopf. Jake blickte ihn an und lachte.

„Du bist schrecklich“, stellte Will fest.

„Was habe ich jetzt schon wieder gemacht?“ fragte Jake unbeteiligt.

„Es geht eher darum, was du nicht tust. Du könntest reich sein.“

„Das war ich“, stellte Jake richtig. „Dann habe ich alles dir gegeben, und du hast davon das Freizeitgelände aufgebaut.“

„Immerhin gehört dir immer noch die Hälfte davon.“

„Dann wirst du mich im Alter wohl durchfüttern müssen“, erwiderte Jake lachend. „Ich bin schließlich nicht dumm.“

Will schüttelte den Kopf. „Du bist Jurist und hast als Steuerberater gearbeitet, und das alles hast du aufgegeben, um für deinen kleinen Bruder Rasen mähen zu können. Schäm dich.“

„Ich mähe den Rasen nicht, sondern sorge nur dafür, dass andere den Rasen mähen“, stellte Jake richtig. „Ein toller Sonnenaufgang, findest du nicht?“

„Der Sonnenaufgang war vor ein paar Stunden. Jetzt ist es neun.“

„So hoch steht die Sonne aber noch nicht.“ Jake ließ sich tiefer in den Stuhl rutschen. „Sie steigt immer noch, also ist noch Sonnenaufgang.“

„Mir ist klar, dass ich das alles hier ohne dich nicht schaffen würde, aber du weißt so gut wie ich, dass du hier deine Zeit und deine Talente vergeudest. Seit fünf Jahren. Dafür kannst du nicht nur deine gescheiterte Ehe verantwortlich machen.“

„Du nimmst das Leben viel zu ernst. Wenn ich geahnt hätte, dass du dich so sehr in die Arbeit stürzt, hätte ich dir das Geld niemals gegeben. Du bekommst bestimmt bald einen Herzinfarkt, und dann muss ich mich um alles hier kümmern.“

„Na, einer von uns beiden muss sich ja wie ein Erwachsener benehmen. Hör mir zu, Jake, du warst immer mein …“

„Vorbild? Dein Held?“ riet Jake.

„Sagen wir ruhig Vorbild“, sagte Will. „Ich wollte immer wie du sein, weil du in jeder Hinsicht der Beste warst.“

„Nein, das war ich nicht“, widersprach Jake. „Das dachtest du bloß, weil du mein jüngerer Bruder bist.“

„Jake, du hast seit fünf Jahren nichts mehr getan. Seit du hier bist.“ Jake wollte etwas sagen, aber Will ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich weiß, dass du die Arbeitskräfte beaufsichtigst, doch das könntest du auch vom Bett aus. Und im Grunde tust